Vor dem Regen.....

Und nach dem Regen!

© Anne Fechter Feb 2020 

Regeneration

 

Ich bin machtlos.

Hilflos.

Traurig. 

Tieftraurig, verzweifelt, unerträglich bitter.

Oryx, Springbock, Rind und Schaf sterben,

jeden Tag. 

Ununterbrochen strömt Adrenalin durch meine Adern.

Mir ist speiübel.

Herzrasen,

Kopfweh,

schwere Schlafstörung.

Ich bin so müde,

habe keine Kraft mehr.

Muss freundlich sein,

will alle nur erwürgen.

 

Ich lade sie immer wieder auf, die Heuballen.

Einundzwanzig.

Zweiundzwanzig.

Dreiundzwanzig.

Und ein Stück Draht zum verknoten.

Draht. Heiß und hart.

Wie dieses Land.

 

Draht im Reifen, noch eine Panne.

Wagenheber her, Schrauben runter.

Heißer Sand und heißer Wind,

unter mir nur Steine und Dornen.

Eine Windhose, die Augen voll Sand

und ich kann nichts mehr sehen.

Es brennt, siedet, wütet, verzweifelt.

Das Herz, die Sonne und die Augen.

Hilflos.

Kein Ende in Sicht.

Verfluchte Farm.

Geschädigte Mutter Erde.

Die Menschen zerstören auch hier alles…

Ich mag nicht mehr.

 

Das Telefon klingelt.

Hallo?

 

Nein… nein… nein…

Doch! Wirklich!

 

Wann?

Gestern Abend!

 

Tränen…

 

Unaufhaltsame Tränen der Freude!

 

Erst Mottenregen und verklebte Fenster,

dann Wolken,

dann Gewitterwolken, Blitz und Donner,

dann Tropfen, Wassertropfen, Regentropfen….

Mehr und mehr,

Wasser, Sprudelwasser, Regenwasser……

 

Regen wo warst Du?

Jetzt bist Du da!

 

Oh Gott, dass Du Erbarmen hast.

Wir haben so viel falsch gemacht

und trotzdem gibst Du uns eine neue Chance.

Wasser rauscht,

die Frösche rufen,

Schmetterlinge haben die Motten von ihren Flugbahnen verdrängt.

Wasser rauscht, läuft, flutet.

Ohrenbetäubend prasselt es immer noch auf das Blechdach.

Die Steine dampfen.

Die Pferde wiehern.

Wasser sprudelt, strömt, fließt.

Langsam schiebt sich eine braune, zähe Masse über den ausgedörrten Sand des Flussbettes.

Wasser…

Gnade.

Leben…

Segen…

Regen!

Dankbarkeit!

Endlos…

 

Regeneration.


 

Akiro 

 

Forscher sind sich einig, dass der Mensch den Wolf vor über 20,000 Jahren zähmte und zu seinem Jagdgefährten machte. Auch heute noch werden  Hunde auf der ganzen Welt als Jagdhelfer eingesetzt. In Europa zahlreicher und zielgerichteter als hier bei uns Namibia, da unzählige Rassen dort bekanntlich speziell  für die Jagd gezüchtet und ausgebildet werden. In Namibia sind es meistens Mischlingshunde, die auf Jagdfarmen zum Tagesgeschehen dazu gehören; nur vereinzelt gibt es reinrassige Jagdhunde in Jagdunternehmen.  Meistens werden diese jedoch auch dann eher als Wach – und Familienhunde gehalten, denn es gibt ja immer noch die Jagdhelfer Niklas, Adam und Jakob, die die Fährten ebenso gut lesen können…  meint so manch einer.

 

So war es auch bei uns, bis eine große Überraschung in unser Leben purzelte … ein Jagdhund, den wir geschenkt bekamen.

 

© Anne Fechter

first published in HUNTiNAMIBIA 2020

 

Früh sind wir unterwegs. Nach einem großen Becher starken, dampfenden Kaffees und einer dicken Stulle Farmbrot mit Rauchfleisch und Kaktusfeigenmarmelade, schaukeln wir, dick eingepackt in Jagdjacken und Jagdmützen, im Jagdwagen durch die steinige Landschaft des Schwarzrandes im Süden Namibias. Der Himmel im Osten wird langsam heller, der eisige Wind, der uns um die Ohren pfeift wird kurz vor Sonnenaufgang immer kälter. Endlich blinzeln die ersten rosa-orangefarbenen Sonnenstrahlen über den Horizont und tauchen die faszinierende, unendliche Landschaft in ein goldenes Licht. Das trockene Steppengras wiegt sacht im Wind, die Schoten der Gababüsche klappern und bringen eine leichte Unruhe in die friedliche Stimmung an diesem unfassbar schönen, klaren Morgen in der namibischen Halbwüste. Mein Gesicht und meine Hände sind eiskalt, meine Nase spüre ich schon lange nicht mehr.

Dem, der neben mir sitzt, geht es anders, ihm ist nicht kalt!  Akiro, mein Hannoverscher Schweißhund, sitzt gespannt und äußerst wachsam auf dem Beifahrersitz und hält seine Nase aufmerksam witternd in den kalten Wind. Seine seidenen, dunkelbraunen halblangen Behänge wehen im Fahrtwind leicht nach hinten. Wunderschöne, gelb-braune Augen in dem dunklen, ernsten Gesicht schauen angestrengt mal nach vorn, mal zum Seitenfenster hinaus. Er spürt, dass er gleich arbeiten darf und der heutige Tag vielleicht ein besonderes Erlebnis für ihn bereithält. Ich bin einfach unendlich dankbar, dass es ihn gibt!

 

 Der gestrige Jagdtag war sehr lang und anstrengend. Geschlafen haben wir alle nicht so gut. Geträumt haben wir,  bedauerlicherweise,  von einem verwundeten Tier…

 

Denn gestern, nach einer stundenlangen, mühsamen Pirsch auf einen alten Oryxbullen über einige Kilometer in schwer begehbaren, sehr steinigen Gelände, brachte mein Jagdgast Max im letzten Licht auf  150m einen Schuss an. Der Bulle, der günstig gestanden hatte, drehte sich just in diesem Moment. Wir hörten den Aufschlag, er ging kurz zu Boden, sprang wieder auf und flüchtete nach vorn. So schnell wie möglich waren wir am Anschuss und folgten im letzten Licht einer winzigen Schweißfährte. Der Jagdwagen war zu weit entfernt um unseren Schweißhund zur Hilfe zu holen und die Dunkelheit brach rücksichtslos über uns herein. Schweren Herzens mussten wir unverrichteter Dinge nach Hause fahren…

 

 Auf steinigen Wegen fahren wir also an diesem nächsten Morgen weit in das Jagdgebiet hinein um so nah wie möglich an unsere Anschussstelle heran zu kommen. Auf der nächsten Anhöhe halte ich an und wir glasen das vor uns liegende breite Tal sorgfältig ab – leider können wir nichts entdecken. Ganz links erkenne ich eine Baumgruppe wieder, an der wir gestern vorbeigekommen sind. Wir fahren den Hügel hinunter,  das Tal entlang und halten kurz hinter der Baumgruppe an.

 

Akiro spürt sofort, dass es jetzt losgeht! Unruhig wartet er auf seinem Sitz, dass ich ihn schnalle und er aussteigen darf. Schnell hebt Max sich noch seinen Rucksack mit Proviant und Wasserflaschen auf den Rücken, ich trage Waffe und Schiessstock und führe Akiro an der linken Hand. Wir gehen etwa hundert Meter in die Richtung, an die ich mich erinnere. Akiro schnuppert aufgeregt umher, schaut aber auch immer wieder hoch um vielleicht doch etwas in der Ferne zu entdecken.

 

Wir gehen weiter, ein wenig nach rechts, dann nach links. Ich erkenne einen Weißstammbaum, an dem wir gestern Abend während der Pirsch vorbei gegangen sind. Zügig gehen wir weiter und kurz darauf finde ich auch die Stelle wieder, von der aus wir den Oryxbullen zuletzt ansprachen. Akiro wittert etwas, denn er ist plötzlich sehr aufgeregt und will nach vorn. Nach  50m  finden wir die Anschussstelle. Mit seiner feinen Nase entdeckt Akiro die handtellergroße Schweißspur sofort und nimmt die Witterung auf. Es geht los! Zielstrebig und fleißig geht er vorwärts. Andere Hundeführer würden an dieser Stelle ihren Hund sicherlich losschnallen. Da der Oryx jedoch ein sehr wehrhaftes Tier ist und schon zahlreiche Hunde durch die messerscharfen, spitzen Hörner zu Tode gekommen sind, behalte ich Akiro an der Leine.

 

Zügig geht es voran. In seiner Flucht hat der Bulle noch viel Schweiß verloren und wir finden zuerst nach jeden 20 Metern, dann nach 30 Metern mehrere große Schweißtropfen. Wir sind schon fast 1 Kilometer gegangen, da werden sie Schweißspuren deutlich geringer. Akiro aber hat die Nase immer noch ganz zielbewusst am Boden und ich lasse mich von ihm führen.

Plötzlicher Stopp! Akiro schnuppert, wendet sich, geht wieder vorwärts, dreht sich um, will hinter mir vorbei, kommt wieder nach vorn - hat er die Fährte verloren? Gemeinsam suchen wir den Boden sorgfältig ab. Nichts. Wir schlagen einen weiten Bogen – und finden nichts. Über Funk rufe ich unseren Spurenleser, Niklas, zur Hilfe und gemeinsam suchen wir die Gegend um die letzten Schweißtropfen sehr sorgfältig ab. Wir finden nichts mehr…. Da der Boden hier sehr steinig ist, können wir auch keine Fährte erkennen. Niklas kratzt sich am Kopf und überlegt, sucht und schaut immer wieder. Plötzlich sehe ich, wie Akiro angestrengt an einer anderen Stelle schnuppert…

 

Da! Ich finde einen winzigen, abgebrochenen Ast und einen kleinen Schweißtropfen - der Oryxbulle hat sich hier offensichtlich ganz scharf in die andere Richtung gewendet. Akiro nimmt die Witterung auf und weiter geht’s; das verletzte Tier ist ab hier allerdings deutlich langsamer gegangen und hat daher weniger Schweiß verloren. Dank Akiros feiner Nase geht unsere Nachsuche jetzt weiter über die endlose, mit vereinzelten, trockenen Grasbüscheln geschmückte Steinlandschaft -  einen Hügel hinauf, den nächsten hinab und wieder hinauf. Wenn Akiro sehr stark vorwärts drängt, renne und stolpere ich oft unkontrolliert über die Steine. Wir sind jetzt etwa 3km vom Anschuss entfernt, wieder liegt vor uns ein langes Tal. Nichts ist zu sehen, alles ist still, nur die mittägliche, heiße Sonne und der inzwischen sehr warme Wind machen uns zu schaffen, trocknen uns aus. Akiro hechelt und legt sich im Schatten eines Gababusches ab. Wir entscheiden uns daher, eine Pause zu einzulegen. Über Funk lasse ich unseren Jagdhelfer mit dem Jagdwagen in unsere Nähe fahren. Akiro wirkt unschlüssig – er schaut mich an, dann will er weiter gehen - er weiß, dass er das verwundete Tier noch nicht gefunden hat.

 

Im einladenden Schatten eines riesigen Kameldornbaumes verzehren wir unseren Proviant; Akiro ist nur sehr durstig und bekommt viel Wasser zu trinken. Nach unserer kurzen Pause fahren wir wieder in das Tal an die Stelle der  zuletzt gefundenen  Schweißfährte. Aufgeregt spürt Akiro, dass wir weiter suchen wollen. Ich umarme ihn kurz und lobe ihn; er schaut mich ruhig und vertrauensvoll an, als ob er sagen möchte: “Das klappt schon noch…“ Der Wagen hält und erneut machen wir uns auf den Weg. Kurz darauf können wir die Fährte des Oryx auf einem sandigeren Stück Boden deutlich erkennen. Wir folgen der Spur, finden allerdings nur alle 50m mit Mühe einen kleinen Schweißtropfen. Akiro schnuppert angestrengt daran, geht dann aber zielstrebig weiter und ich kontrolliere die Fährte hinter ihm. Weiter geht es, immer weiter geradeaus.

 

Da sich der Nachmittag nun auch schon dem Ende zuneigt, lasse ich den Jagdwagen  wieder kommen und wir fahren damit sehr langsam  weiter gerade aus, das Gelände immer sorgfältig im Blick.

 

Akiro hängt zur Hälfte aus dem Autofenster und schnuppert angestrengt in den leichten Fahrtwind. Plötzlich gibt er aufgeregt Laut. Wir glasen das Gebiet ab, sehen aber nichts. Immer wieder bellt Akiro aufgeregt, ich kann ihn kaum  beruhigen. Im nächsten Moment sieht unser Jagdhelfer einen Oryx in etwa hundert Metern Entfernung allein unter einem Baum stehen. Ist es vielleicht das verwundete Tier? Schnell schnalle ich Akiro, steige vom Auto und laufe eilig mit ihm in die Richtung. Er hebt den Kopf, wittert und bellt kurz – und schon sehe ich den Oryx wieder flüchten! Wir rennen los, Akiro hat die Witterung des Tieres  aufgenommen und prescht nach vorn; ich renne mit ihm quer durch die Büsche  und hinter mir stolpert Max mit Schiessstock und Waffe über Stock und Stein. Akiro bleibt stehen und bellt wieder, der Oryx verhofft und ich nutze die Sekunde, die Waffe von Max in die Hand und hoch zu nehmen… Mit einem sauberen Blattschuss gelingt es mir, das erschöpfte Tier zu erlösen. Ich leine Akiro ab und folge ihm; geschwind hat er den verendeten Oryxbullen gefunden und verbellt ihn.

 

Was für eine Nachsuche! Vierundzwanzig Stunden und fast 5 Kilometer nach dem Anschuss haben wir nur durch die unfassbar gute Nase des Schweißhundes den verletzten Oryxbullen gefunden. Wir schauen ihn uns genauer an und sehen, dass ihn die erste Kugel schräg von hinten zwischen Rippe und Blatt getroffen, jedoch die Kammer nicht verletzt hatte. Erleichtert und glücklich geben wir ihm seinen letzten Bissen in den Äser.

 

Waidmannsheil Max! Gut gemacht, Akiro! Unendlich dankbar und erschöpft machen wir uns auf den Heimweg und ich bin spätestens jetzt überzeugt, dass das Führen eines Jagdhundes in Namibia, wie in Europa, Voraussetzung ist für eine waidgerechte Jagd.

 

Wer dem Wilde zugetan, weil er gar nicht anders kann,
da er sich mit Herz und Hand liebend der Natur verband, 
spürt in seiner Seele Grund und seiner Waidmannsehre,
dass er ohne guten Hund nur ein halber Jäger wäre.

 

 


Der Hannoversche Schweißhund

 ist fast unverändert aus dem sog. Leithund des frühen Mittelalters hervorgegangen

·         Ursprungsland:  Deutschland

·         Standardnummer:  213

·         Widerristhöhe:  Rüden: 50-55 cm, Hündinnen : 48-53 cm

·         Gewicht:  Rüden: 30-40 kg, Hündinnen : 25-35 kg

·         Verwendung:  Nachsuchehund, Schweißhund.

·         FCI-Gruppe 6:  Laufhunde, Schweißhunde und verwandte Rassen
                           Mit Arbeitsprüfung.

·         Erscheinungsbild:  mittelgroß, wohlproportioniert und kraftvoll;

kräftig bemuskelte Vorder- und Hintergliedmaßen befähigen ihn zu ausdauernder Arbeit; breite, tiefe Brust bietet der Lunge viel Raum für anstrengende Nachsuchen; typischer ernster Gesichtsausdruck durch die klaren Augen und die leicht faltige Stirn; Fell in roter Grundfärbung bis dunkel gestromt.

·         Charakter: sehr ruhig, dabei aber äußerst wachsam und beschützend

·         Besondere Fähigkeit: hohe Konzentrationsfähigkeit bei der jagdlichen Nachsuchenarbeit mit ausgeprägter Meutebeziehung zum führenden Jäger

Akiro – z.Zt. 2 jähriger Rüde aus Adel von Ricsika- Erdei, ungarische FCI Zucht

(Aba von Tiszamenti Nyomkövetö und Bori von Hollós-Völgyi)                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

 


König Letschwe der I. von links

© Sebastian Fechter

 

König Letschwe der    I. von links

 

Als die ersten Sonnenstrahlen blutrot über den Horizont klettern erreichen wir das Farmtor. Adam,  der Fährtenleser, steigt vom Wagen um das Tor zu öffnen und ich drehe mein Fenster herunter um etwas frische Luft zu schnappen. Die Luft ist kühl und duftet angenehm frisch nach dem mit glitzerndem Morgentau überzogenen feucht-trockenem Gras. Was für ein herrlicher Morgen!

Neben mir im Auto sitzt Jeremy. Ich freue mich auf die heutige Jagd mit ihm, da er - ein Jäger aus London – unglaublich passioniert ist. Er war schon einige Male bei uns auf Falkenhorst zur Jagd und konnte jedes Mal  kapitale Trophäen und tolle Erlebnisse mit nach Hause nehmen, doch heute … das spüre ich … wird es ein ganz besonders erlebnisreicher Jagdtag für ihn!

 

Ich schließe mein Fenster und fahre durch das Tor. Jeremy steht die Freude ins Gesicht geschrieben und lächelnd sagt er: ,,Let’s go get a lechwe!” Mein Blick bleibt auf den steinigen Weg gerichtet und ich schmunzele nur. Ich bin sehr gespannt, da wir in einem mir bisher unbekannten Gebiet unterwegs sind. Wir jagen heute auf einer Farm in Namibia, die direkt am oberen Lauf des bekannten Fischflusses liegt, etwa 50 km nördlich von Falkenhorst und in der Nähe der kleinen Ortschaft „Kalkrand.“

 

Das Biotop hier am Fischfluss ist einfach unglaublich schön!

 

In der Regenzeit führt der Fischfluss, der hier durch eine steinige Landschaft fließt, oft sehr viel Wasser. Noch lange nach der Regenzeit bleiben viele größere und kleinere offene Wasserstellen bestehen, die  idealer Lebensraum für unzählige Wild-, Vogel-, und Kleintierarten sind. Das ganze Jahr über wächst hier saftiges, grünes Gras, das einer Antilopenart besonders zusagt: der  Moorantilope, auch Letschwe genannt. Moorantilopen kommen in dieser Gegend nicht natürlich vor, sie wurden vor über 20 Jahren am Fischfluss ausgewildert. Die Vermutung, dass sich die ersten drei Tiere – zwei Kühe und ein Bulle - hier wohlfühlen würden, bestätigte sich: heute leben entlang des Flusses einige große Herden des Kobus lecheleche und der Bestand steigt jährlich an. So hat die Moorantilope, die ursprünglich nur in den flachen Flussbetten der Sambesi-, Okavango- und Kongoflüsse auf dem Zentralafrikanischen Hochland vorkam und durch die zwangsläufige Einschränkung und Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume durch Bevölkerungswachstum und die damit verbundenen menschlichen Aktivitäten verdrängt und stark reduziert wurde, hier am Fischfluss im Süden Namibias eine perfekte neue Heimat gefunden.

 

 

„Lechwe“ (eng)  - „Moorantilope“ (deu)

Verschiedene Arten afrikanischer Antilopen innerhalb der Gattung Kobus werden als Moorantilopen bezeichnet:

Innerhalb der Litschi-Moorantilope (Kobusleche)werden gemeinsam mit der Nominatform vier Unterarten unterschieden:

  • Kobus lechekafuensis
  • Kobus lecheleche
  • Kobus lecherobertsi
  • Kobus lechesmithemani

 

 

Nach wenigen hundert Metern auf dem steinigen Farmweg erreichen wir das Farmhaus. Freundlich begrüßt uns der Farmer und erklärt mir kurz, wo er in den letzten Tagen Moorantilopen gesehen hat und  wo er sie nun vermutet. Ein hochkapitaler Bulle ist wohl dabei... das ist eine sehr gute Nachricht und wir entscheiden uns, den besagten Bullen zu suchen.

 

Wir fahren auf einem schmalen, verbuschten Farmweg Richtung Fluss bis zu der Stelle, an der der starke Bulle in der letzten Woche  gesichtet wurde. Auf einer kleinen Anhöhe halte ich den Jagdwagen an. Was für ein beeindruckender Anblick! Wie eine riesige Oase liegt das etwa zweihundert Meter breite Bett des Fischflusses in der steinigen Halbwüstenlandschaft vor uns. Die Wasserpfützen auf dem felsigen Untergrund funkeln in der Morgensonne, als seien sie riesige Diamanten. Unter den großen Weißdornakazien am Ufer und auf den kleinen Inseln in der Mitte des Flusses wächst überall saftiges, grünes Sumpfgras. Wir sind im Letschwe-Paradies!

 

Der Wind steht optimal und  Jeremy und ich glasen das vor uns liegende Flusstal sorgfältig ab. Auf einer kleinen Sandbank, etwa dreihundert Meter entfernt, sehe ich drei Nilgänse; ansonsten ist nichts zu entdecken. Nach etwa zehn Minuten sichtet Jeremy einen Springbock, der in der Uferböschung sein Frühstück genießt und sich die kleinen, gelben Kätzchen der Akazien wie süßen Honig genüsslich auf der Zunge zergehen lässt.

 

Da wir kein weiteres Wild entdecken können, entscheiden wir uns, auf die nächste Anhöhe zu pirschen, um von dort aus vielleicht besser in die nächste Biegung des Flusslaufes spähen zu können. Nach etwa fünf Minuten Fußmarsch stehen wir auf dem Hügel und haben von hier aus tatsächlich einen fantastischen Blick über das Flusstal. Kaum habe ich mein Glas an den Augen, da sehe ich auch schon ein äsendes Stück Wild auf einer kleinen, grünen Insel. Es ist ein Letschwe! Jeremy hat das Tier nun auch im Blick. ,,Female?”, flüstert er. ,,Yes, female.”, antworte ich. Da müssen doch noch mehr sein! Und wahrhaftig, keine einhundert Meter weiter flussabwärts entdecke ich sie ruhend auf einer Sandbank. Mit ihren rotbraunen Decken sind sie nicht leicht zu erkennen, da sie zwischen den Steinen, dem Gras und dem rotbraunen Sand regelrecht mit der Landschaft verschmelzen.

 

Es ist eine Herde von etwa zwanzig Tieren. Einen guten Bullen kann ich bis jetzt noch nicht erkennen, nur zwei junge Bullen, die sich am Rande niedergelassen haben. Nochmals glase ich die Uferböschung sorgfältig ab. Plötzlich erheben sich einige weibliche Stücke und äugen aufmerksam flussabwärts, als wäre dort eine Gefahr. Ich kann jedoch nichts Verdächtiges erblicken, nur ein paar Nilgänse, die sich in einem kleinen Tümpel zum morgendlichen Bad versammelt haben. Plötzlich meint Jeremy etwas in einer Senke weiter rechts gesehen zu haben….Tatsächlich! In einem ziemlich tiefen Graben am Ufer erkenne ich jetzt auch die Hornspitzen und die rotbraunen Rückenlinien zweier Letschwe-Bullen.

 

Schnell ist der Entschluss gefasst: die zwei wollen wir uns näher ansehen! Unser Plan ist, die zwei Bullen aus der Uferböschung heraus anzugehen, um die dort vorhandene Deckung zu nutzen. Ich vermute, dass sie bald zu der Herde ins offenere Gelände ziehen - das würde uns eine bessere Schussposition anbieten.    Zügig sind wir unterhalb der Anhöhe angekommen und pirschen nun vorsichtig durch die Uferböschung, um nicht von den weiblichen Stücken entdeckt zu werden. Wir müssen vor allem auf der Hut sein, dass die Nilgänse uns nicht entdecken, denn sie schlügen sofort Alarm… und wir wären entlarvt.

 

Nach einigen anstrengenden hundert Metern sind wir endlich auf Höhe der Stelle, an der die zwei Bullen zuletzt standen. Vorsichtig und mit allen Sinnen in Alarmbereitschaft bewegen wir uns nun in Richtung Fluss und schlängeln uns mühsam fast lautlos durch den dichten Dornenbusch. Es sind keine zehn Schritte mehr bis zum Ufer, als ich plötzlich schräg links vor uns eine Bewegung wahrnehme. Da sind sie! Es ist die Herde, die sich noch immer in der Mitte des Flusses aufhält. Einige Stücke äugen in unsere Richtung, doch wo sind nur die zwei Bullen?

 

Noch ein paar kleine Schritte wagen wir uns vor, um die Herde besser sehen zu können. Ich gebe Jeremy ein Zeichen, sich fertig zu machen und halte den Schießstock in der rechten Hand bereit. Vorsichtig und langsam führe ich mein Fernglas an die Augen, den Blick halte ich fest auf das Wild gerichtet. Dort stehen sie! Die beiden Gesuchten sind dabei! Intuitiv wusste ich, dass sie zu der Herde ziehen würden... nun heißt es Ruhe bewahren und keinen Fehler machen!              

 

Einer der beiden Bullen steht auf der linken Seite der Herde. Er ist kapital! Wunderschöne,  geschwungene Hörner mit einer enormen Auslage trägt er auf seinem Haupt. Wie ein König mit einer übergroßen Krone auf dem Kopf, lässt er sich die warme Morgensonne auf den Pelz scheinen und genießt das saftige, grüne Gras. Welch ein beeindruckendes Werk des Schöpfers! Er erinnert wahrlich an einen König, der mit seinem roten Mantel und seinem ganzen Stolz einfach dort steht und nicht  ahnt, dass sein Erzfeind in der Deckung lauert.

 

,,That’s him, on the left!”, flüstere ich Jeremy zu. In Zeitlupe platziere ich den Schießstock. Jeremy geht in Position und nimmt den Bullen ins Visier. ,, The one on the far left?”, vergewissert er sich.  ,,Yes, he is the King! The first from the left”, antworte ich.  Plötzlich ist es totenstill. Jeremy zielt,  ich halte die Luft an…

 

Jäh wird die friedliche, morgendliche Stille am Fluss durch den donnernden Schuss zerrissen und wir hören ihn weit flussabwärts hallen. Ich höre einen deutlichen Kugelschlag und sehe durch das Glas, dass die Kugel das Blatt sauber getroffen hat. Der Bulle dreht sich im Schuss und geht nach rechts ab, er schafft es jedoch keine vierzig Meter mehr, taumelt und geht zu Boden.

 

In diesem Moment sind wir beide total überwältigt von dem unbeschreiblichen Gefühl nach einem guten Schuss. Er liegt, er liegt! ,,Good shot!” Ich klopfe Jeremy auf die Schulter. Wir können unser Glück kaum fassen. Wir machen uns auf den Weg zu dem erlegten Tier. Als wir näher kommen, wird mir erst bewusst, dass eine Trophäe von Weltklasse vor uns liegt.  Behutsam treten wir an den Bullen heran, fast kommen uns ein paar Freudentränen. Wir klopfen uns gegenseitig auf die Schultern und ich gratuliere Jeremy mit einem kräftigen Händedruck zu seinem Weidmannsheil.       

 

Nun liegt er vor uns, König Letschwe der I. von links. Ich knie vor dem Bullen nieder, nehme seine Krone in die Hand und bewundere mit Dankbarkeit und Ehrfurcht die unglaubliche Schönheit dieser Kreatur. Dieser Tag am Fischfluss in Namibia wird Jeremy und mir lebenslang in Erinnerung bleiben, denn eine Moorantilope zu bejagen ist ein seltenes, besonderes Geschenk.                                                                                                                                                                                                                                             

© Sebastian Fechter - first published in "Jagen Weltweit" (2018)      

Jeremy und König Letchwe, der erste von links
Jeremy und König Letchwe, der erste von links

Mit schmerzenden Beinen auf heißen Steinen

Oryxjagd in Namibia mit Falkenhorst Hunting Safaris. Jagen Sie mit uns in den endlosen Weiten auf die begehrte Oryxantilope und erfüllen sich einen langersehnten Traum.

Dicht hinter mir sitzt  Roland auf den glühend heißen Steinen. Ich sehe, wie er sich vorsichtig die Dörner aus der Hand zupft, als ich zu ihm zurückblicke. In diesem Moment muss ich irgendwie an das Südwesterlied denken, denn die Klippen werden grad wahrlich von der Sonne verbrannt. Die Klippen scheinen es ja gewohnt zu sein, doch als Mensch erfährt man spätestens jetzt, daß man in Afrika ist, wo die Sonne erbarmungslos auf alles niederbrennt.

 

Roland ist nicht das erste Mal in zur Jagd in Namibia, doch als er vor zwei Jahren das erste Mal bei uns war, war es Juni und somit längst nicht so heiß und trocken wie jetzt im Oktober. Beim letzten Mal hat er nicht erfahren, was es wirklich heißt, in diesem schroffen, steinigen Gelände im Süden Namibias bei prallender Sonne einem Oryxbullen hinterher zu robben. Hier herrschen Umstände und Anforderungen, welche nur ein echter, passionierter Jäger übersteht. Die wenigen Silberstrauchbüsche bieten nur spärliche Deckung, man muss also unten bleiben um nicht aufzufallen. Doch auf dem Boden erwarten einen die Steine, welche das Gehen übelst erschweren und es fast unmöglich machen, lautlos zu pirschen. Außerdem haben sie die Eigenschaft, es einen mit Brandblasen an den Händen zu bestrafen, wenn man sich in der Mittagshitze einem Stück Wild zu nähern versucht. Zusätzlich brennt die Sonne erbarmungslos hernieder, und man spürt wie einem langsam aber sicher die Kehle ausgetrocknet. Ob er es wahr haben will oder nicht, ich bin überzeugt, dass Roland nun spürt, was es bedeutet, in Afrika zu jagen.

 

Vor einer knappen Stunde haben wir den uralten Oryxbullen am Gegenhang ausgemacht. Es ist nun bereits später Vormittag und der alte Recke steht gemütlich unter einem großen Wurmrindenbaum, welcher ihm wertvollen Schatten spendet. Roland und ich haben uns ihm in gebückter Haltung bereits auf etwa 600m genähert, doch nun erscheint es unmöglich, unbemerkt zu bleiben und auf Schussdistanz heran zukommen. Der alte Bulle hat sich einen perfekten Schattenplatz ausgesucht, von dem aus er die gesamte Gegend genausten überblicken kann. Immer wieder dreht er sein Haupt und sichert, mal in unsere Richtung und mal in die andere, um sich zu vergewissern, dass kein Feind in der Nähe ist. Durch das Glas wirkt er in der flimmernden Hitze so majestätisch, mit seinem massigen Körper und den wuchtigen, abgenutzten Stangen. Solch ein alter Kämpfer ist mit seinen Narben und mit seiner wunderschönen Kriegsbemalung wahrlich der König der Wüste.  

 

Doch Staunen bringt uns nicht zum Erfolg - wir müssen weiter, denn die Zeit bleibt nicht stehen und die Sonne macht uns mittlerweile zu Bratmännchen. Vorsichtig bewegen wir uns in niedrigster Gangart weiter, immer bis zum nächsten Strauch, um die spärliche Deckung so gut wie möglich auszunutzen. Bei jedem Schritt muss der Fuß präzise gesetzt werden, um jegliches Geräusch, das durch die Steine verursacht wird, zu vermeiden. Ab und zu rumpelt es hinter mir, da Roland es natürlich nicht gewohnt ist, auf solchen Steinen zu gehen. Plötzlich wagt es der Bulle in unsere Richtung zu sichern.         

,,Mist, hat er uns mitbekommen?“, flüstert Roland hinter mir. Ich bleibe stehen, nehme in Zeitlupe meine Hand nach hinten und gebe Roland ein Zeichen dass er sich nicht bewegen darf. So stehen wir nun da, wagen uns nicht zu bewegen und lassen uns die Sonne in den Nacken brennen. Die Zeit scheint wie eingefroren und sie scheint trotz dieser glühenden Hitze nicht zu schmelzen. Noch immer sichert der Bulle in unsere Richtung und ich spüre, dass meine Beine langsam zu schmerzen beginnen. Roland geht es bestimmt nicht anders, doch wir haben nun keine andere Wahl, wir müssen ausharren. Nach einer gefühlten Ewigkeit werden wir endlich erlöst, er sichert nicht mehr. Wenn wir nun nicht unsere Strategie ändern, war alles für die Katz. Also gebe ich Roland zu verstehen, wir müssen runter auf den Boden. Eher gesagt auf die heißen Steine. 

‚, Setz‘ dich auf deinen Hintern und lege die Waffe auf deinen Schoss. Mit den Händen stützt du dich ab und mit den Beinen ziehst du dich nach vorne.“, flüstere ich Roland zu. Meter um Meter robben wir vorwärts. Kurz die Hände an der Hose reiben um Brandblasen zu vermeiden, dann weiter. Ich blicke ab und zu hinter mich um mich zu vergewissern, dass Roland noch in Ordnung ist, denn die Hitze und die körperliche Anstrengung stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Doch es hilft alles nichts, wir müssen weiter.                                        

 

Plötzlich merke ich, dass der Bulle unruhig wird, doch 400m sind noch viel zu weit für einen guten Schuss. Hat er uns bemerkt? Hat er Wind bekommen? Nein, der Wind steht gut, wahrscheinlich zieht er einfach nur weiter um einen besseren Baum aufzusuchen oder Wasser zu finden. Als ich ihn durch mein  Glas beobachte, sehe ich, dass er langsam den Hang weiter hinauf zieht. Sollte er bald hinter dem Hügel verschwinden, so hätten wir die perfekte Gelegenheit um schnell aufzuschließen und könnten eventuell auf der anderen Seite des Hügels zu Schuss kommen. Also heißt es abwarten.                         

 

Hier und da knabbert er an einem Grashalm, sichert kurz, streckt seine Lauscher in alle Richtungen und zieht dann gemütlich und majestätisch weiter den Hang hinauf. Man erkennt, dass dieses unwegsame Gelände sein zuhause ist, denn trotz seiner massiven Körpermaße meistert er es mit unvorstellbarer Leichtigkeit. Er wirkt wie ein alter Mann auf einem Gehweg, der denkt, er sei noch viel jünger. Wir sitzen immer noch auf diesen glühend heißen Steinen, doch gleich ist es soweit und wir werden schnell handeln müssen. Nun steht er dort oben am Horizont und das Flimmern der Hitze lässt ihn so mit der Landschaft verschmelzen, dass er fast nicht mehr auszumachen ist. Seine wuchtigen Stangen sind das letzte was ich nun hinter dem Horizont verschwinden sehe.                                    

 

Jetzt muss es schnell gehen, damit wir ihn noch auf der anderen Seite erwischen! So schnell wie möglich versuchen wir aufzuschließen, was nicht so einfach ist bei der Hitze und den vielen Steinen. Man muss sehr darauf achten, dass man nicht stolpert, denn das könnte schmerzhaft werden. Nach den ersten 200 Metern muss ich mein Tempo reduzieren, damit Roland nicht zu weit zurückfällt. Die Steine machen ihm anscheinend sehr zu schaffen. Aber wir müssen weiter. So schnell es geht erklimmen wir nun den Hang auf dem der alte Bulle eben noch gemütlich stand. Ich zeige Roland kurz den Baum unter welchem der Bulle gestanden hat, damit er etwas Luftholen kann; dann geht es weiter den Hang hinauf. Fast oben angekommen werden wir wieder langsamer, um das Rumpeln der Steine zu vermeiden. Hoffentlich hat er uns noch nicht gehört und ist auf und davon…

 

Doch wir wissen es nicht, wir müssen vorsichtig weiter und hoffen, dass wir nicht auflaufen, wenn er denn noch da ist. Mit höchster Aufmerksamkeit blicke ich nach vorne, um ein Zeichen von ihm oder eine Bewegung auszumachen. Er kann hier irgendwo unterhalb stehen.

 

Ich gebe Roland zu verstehen, dass wir nun sehr vorsichtig sein müssen und dass er tief Luft holen soll, denn er ist noch immer am Schnaufen und wenn der Puls so hoch schlägt, wird es schwierig für ihn, einen guten Schuss anzubringen.

 

Beim nächsten Schritt entdecke ich etwas Dunkles schräg unterhalb von uns. Vorsichtig nehme ich das Glas zur Hand und erkenne deutlich, dass es sich um den gesuchten Bullen mit den kurzen, wuchtigen Stangen handelt. Dort ist er! Nun bloß keinen Fehler machen. Er hat uns noch nicht bemerkt und wetzt gerade seine Stangen an einem trockenen Silberstrauch. ,, Zu viele Büsche, wir müssen weiter nach rechts”, flüstere ich Roland zu. Ich gehe langsam zu Boden und zeige ihm, dass wir wieder robben müssen. Also Hintern auf die Steine und Waffe auf den Schoss, los.

 

Der Bulle ist noch immer beschäftigt mit seiner Hornpflege. Das müssen wir nun ausnutzen, da er etwas abgelenkt ist und momentan nicht so wachsam. Nach einigen Metern entdecke ich eine Lücke. Er steht keine 100 Meter unter uns am Hang, doch leider steht er spitz abwärts und somit schlecht für einen Schuss. Vielleicht stellt er sich ja gleich breit, denke ich mir und stelle langsam und vorsichtig den Schiessstock auf. Genau in diesem Moment erblickt der Bulle eine Bewegung und sichert nun aufmerksam über seine Schulter in unsere Richtung. Mit dem halb aufgestellten Schießstock  in der Hand erstarre ich und wage es kaum noch zu atmen. Jetzt darf Roland sich hinter mir bloß nicht bewegen, sonst war alles umsonst.

 

Zum Glück glaubt der Bulle nach kurzer Zeit sich getäuscht zu haben, und widmet sich erneut seiner Hornpflege an dem Strauch. Vorsichtig positioniere ich den Schießstock und zeige Roland, dass er herankommen soll um sich einzurichten und bereit zu machen, denn der Bulle könnte sich jeden Moment drehen oder wieder in unsere Richtung sichern. Roland hat sich eingerichtet und versucht seinen Puls unter Kontrolle zu bekommen. Jetzt heißt es erneut, geduldig zu sein und abzuwarten.

 

Die Sonne hat jetzt ihren höchsten Stand erreicht und in dieser Situation weiß man nicht, ob die heißen Steine und die trockene Kehle schlimmer sind, oder ob das Jagdfieber doch alles übertrifft. Nach einer Weile des Wartens entschließe ich mich zu pfeifen und hoffe, dass der Bulle sich breitstellt und Roland zum Schuss kommt. Ich pfeife kurz. Der Bulle hebt sein Haupt, sichert jedoch in die andere Richtung. Als ich erneut pfeife, stellt er sich plötzlich breit und sichert erschrocken in unsere Richtung. ,,Jetzt! Schieß!“ Kaum habe ich die Worte ausgesprochen, ist der Schuss auch schon draußen. Im Knall sehe durch das Glas, wie der massige Körper des alten Bullen in sich zusammensackt. „Repetieren und draufbleiben!“, sage ich zu Roland. Doch nach einigen Minuten scheint sich nichts mehr zu rühren. Er liegt dort – mausetot.

 

Als wir zu ihm hinunter gehen, erkennt auch Roland, dass es ein wirklich uralter Bulle ist. Ein echter, alter Kämpfer, ein König der Wüste.

 

Die Mühe hat sich gelohnt und in solchen Momenten erfährt der Jäger eine unbeschreibliche Dankbarkeit und Zufriedenheit. Roland steht die Freude ins Gesicht geschrieben und er sagt zu mir: ,,Jetzt weiß ich, was es heißt in Afrika zu Jagen - mit schmerzenden Beinen auf diesen heißen Steinen!“

 

© Sebastian Fechter  - first published in HUNTiNAMIBIA (2016)

 

 

Leopardenjagd in Namibia

Laute Herzen in Geisterstille

Das Thermometer im Jagdwagen zeigt -3 , als wir uns auf den Weg machen. Nach weiteren 45 Minuten im Ansitz sind es gefühlte -5 . Es ist der 23. Juni, halb sechs morgens und eisig kalt. Ich versuche meine Beine etwas zu bewegen, denn mein linker Fuß ist eingeschlafen oder eingefroren. Ich weiß es nicht. Aber nein, ich kann mich nicht bewegen. Ich darf es nicht, nicht jetzt. Das kleinste Geräusch kann uns verraten. Dem Geist verraten, der dort irgendwo in der Stille des Buschlandes auf ein Festmahl wartet. Mein Herz pocht laut. Zu laut …

 

Es ist die erste Leopardenjagd, die ich als Jagdführer unternehme. Mein Jagdgast Jürgen ist aus Deutschland. Jürgen ist selbst Berufsjäger und verfügt über sehr viel Jagderfahrung, die er in vielen Ländern weltweit gesammelt hat. Außer einem Leoparden hat er all die anderen Tierarten der „Big 5“ erlegt. Mir erscheint er als einer, der wahrscheinlich nur noch wenigen, wirklich passionierten Jäger. Er ist der richtige Mann für die Jagd auf ein Wesen, welches ein Geist zu sein scheint, jedoch gleichzeitig die Macht über das Buschland hat und sich vor Nichts und Niemanden zu fürchten braucht. Der Leopard – ein Wunderwerk Gottes. Wir Menschen sind eine wahre Hässlichkeit im Gegensatz zu diesem prachtvollen Tier. Eine muskulöse Gestalt, erfüllt mit Kraft und Majestätik, getarnt durch die wunderschöne Zeichnung seiner Decke und unheimlich heimlich, da er weiß, was für ein Prachtkerl er ist.

 

Er ist alt. Wahrscheinlich hat ein jüngerer Leopard ihn aus seinem Gebiet verdrängt und er hat – vielleicht dadurch – in den letzten Wochen leider ein paar der wertvollen Rinder des Farmers gerissen … Aus diesem Grunde wurde er für die Jagd freigegeben.

 

Ich glaube, Jürgen ist etwas skeptisch, was diese Jagd anbelangt. Immerhin habe ich noch nie zuvor jemand auf einen Leoparden geführt, ganz zu schweigen davon, dass ich selbst noch keinen erlegt habe … Sicherlich denkt er, dass ich mit meinen 19 Jahren noch ein absolutes ‚Greenhorn‘ bin. Doch ich habe mir fest vorgenommen, Jürgen zum Erfolg zu führen und meine Passion mit jemandem zu teilen, der eine 40-jährige Jagderfahrung vorweisen kann.

 

In den letzten Tagen haben Jürgen und ich gut zusammen gearbeitet. Wir haben einige Leopardenfährten gesehen, darunter befindet sich jedes Mal die des „Rinderkillers“. Meines Erachtens ist der Kuder dieser Fährte kapital und um die 70 Kilo schwer. Jürgen meint, dieser Leopard ist ein Monster und kein Geist. Ich lache nur und sage zu ihm: „Du wirst dich wundern, dies ist der Geist aller Geister.“ Die Fährte dieses großen Kuders haben wir vor drei Tagen zum ersten Mal gesehen und daraufhin noch am selben Tag zwei Luder in der Gegend ausgelegt.

 

Eine offene Stelle am Fuße eines Berghanges erscheint mir besonders vielversprechend. Es ist Leopardengebiet, so wie es in den Büchern der berühmtesten Berufsjäger Afrikas – F. C. Selous, Rolf D. Baldus und Kai-Uwe Denker – beschrieben wird: große Wurmrindenbäume, die sich mit ihren knorrigen, gewundenen Wurzeln an den massiven, dunklen Granitfelsen festklammern und sich majestätisch gegen den Himmel erheben; zwischen den Hügeln kleine, unauffällige trockene Flussläufe mit dichtem Busch, hohem trockenem Gras und großen Kameldornbäumen an den Ufern.

 

Jürgen und ich haben uns entschieden, das Luder an einem großen Kameldornbaum aufzuhängen, der am Ufer eines dieser Flussläufe steht. Der Baum ist ideal: Ein starker, niedriger, horizontal abstehender Ast macht es dem Leoparden leicht, sich gemütlich an dem frischen Warzenschweinfleisch zu laben und wir können so seine Silhouette im Morgen – oder Abendlicht gut gegen den Himmel erkennen.

 

Am nächsten Tag ist es dann endlich soweit. Wir kontrollieren am Vormittag das Luder und finden auf dem Ast des Kameldornbaums nur noch die Überreste des Warzenschweins vor. „Der Bursche muss ein Bärenhunger gehabt haben“, sagt Jürgen zu mir. Ich nicke ihm nur zu, grinse und sage: „The game is on!“

 

Es ist schon später Vormittag und wir müssen uns beeilen. So schnell wir können, bauen wir einen Ansitz rund 60 Meter westlich entfernt des Luders. Mit dem Geschmack von Staub auf der Zunge und dem weichen, lila-rosa Licht der untergehenden Sonne in den Augen, sind wir am Spätnachmittag endlich fertig mit dem Ansitz und haben gleichzeitig frisches Luder ausgelegt. Wir entscheiden uns, dem Leoparden am Abend seine Ruhe zu lassen und uns erst am frühen Morgen in den Ansitz zu begeben. Ruhig, aber in großer Erwartung lassen wir den Tag mit einem delikaten Stück Elandfilet und einem Bier ausklingen. Am Lagerfeuer spekulieren wir weiter über den vermutlich sehr kapitalen Leoparden, doch gehen wir früh zu Bett, bereit für den nächsten Morgen.

 

Zwanzig Minuten bevor mein Wecker summen soll, bin ich hellwach und lausche den Schakalen, die irgendwo in der Ferne durch ihr Heulen die Stille der Nacht stören. In mir wütet eine ungewohnte Unruhe. Etwa Adrenalin? „Wir sind doch noch nicht mal im Ansitz“, denke ich … Nach einer Schnitte frischen, knusprigen Farmbrotes mit herzhaftem Rauchfleisch und einem heißen, süßen Kaffee machen wir uns auf den Weg. Jürgen ist erstaunt über die eisige Kälte und meint: „Bei dieser Affenkälte kommen bestimmt nur Eisbären ans Luder.“ Ich lache nur und sage: „Lassen wir uns überraschen!“

 

Ich parke den Jagdwagen rund 500 Meter vom Ansitz entfernt. Schon der Weg dorthin durch den dunkelgrauen Busch verleiht uns beiden ein mulmiges Gefühl. Glasklar sehen wir jeden Stern am Himmel, doch wir wissen nicht, was hinter dem nächsten Busch auf uns wartet. Vorsichtig setzen wir einen Schritt vor den anderen. Gras raschelt, ein trockener Ast knackt unter meinem Schuh. Schon das kleinste Geräusch verursacht Gänsehaut im Nacken und je näher wir dem Luder kommen, desto höher schlägt mein Puls.

 

Meine Uhr zeigt 4.45 als wir endlich im Ansitz sitzen. Mit jeder Minute, die verstreicht, kriecht mir die Kälte immer mehr unter die Haut. Ich gebe mir Mühe, nicht darauf zu achten und lausche daher angestrengt und konzentriert in die Stille des Buschlandes. In der Ferne höre ich das Pfeifen eines Perlkauzes. Wenige Minuten später meldet sich unweit von uns sein Kamerad. Langsam beginnt es zu dämmern und eine gespenstische Stille liegt über dem afrikanischen Busch. Die kalte Morgenluft riecht nach frischer Erde und vertrocknetem, aber nun nach dem nächtlichen Tau feuchtem, Gras. Ich höre nur Jürgens Atemzüge und ab und zu einen lärmenden Frankolin, dann einen kleinen, zwitschernden Vogel. Mein Blick ist mit höchster Aufmerksamkeit nur auf das Luder im Baum gerichtet. War dort nicht eine Bewegung? Mein Herzschlag dröhnt mir in den Ohren. Nein, ich habe mich getäuscht. Oder etwa doch nicht? Mit jeder Minute wird es nun heller und immer mehr Licht dringt durch die zwei kleinen Luken in unseren dunklen Ansitz. Ich spüre, dass irgendetwas in der Luft liegt und ich befürchte, meinen Herzschlag nicht unter Kontrolle zu bekommen. Jürgen wirkt ziemlich entspannt, doch ich weiß, dass auch er sehr erregt ist. Alle meine Sinne sind in höchster Alarmbereitschaft, um das kleinste Zeichen eines sich dem Luder nähernden Leoparden wahrnehmen zu können. Nichts passiert, doch die Luft bleibt zum Zerreißen gespannt. Die ersten Sonnenstrahlen haben bereits die Ostspitze des Berges erreicht.

 

Und dann ist er da.

 

Dies ist der Moment, in dem ein Leopardenjäger seine Aufregung kontrollieren muss.

 

Denn in diesem Moment, als sich die Sonne dunkelrot über dem Horizont erhebt, sehe ich den massigen Körper eines Leoparden den Stamm des Kameldornbaumes hinaufgleiten. Wie ein Geist ist er plötzlich da – ohne jegliche Vorwarnung! Ohne ein einziges Geräusch, ohne eine einzige schnelle Bewegung. In Geisterstille hat er sich zu seinem Mahl begeben …

 

Jürgen hat den gewaltigen Kuder im gleichen Moment bemerkt und hat bereits seine Hände an der Waffe. Der Leopard sitzt entspannt auf dem horizontalen Ast und sichert in unsere Richtung. Es scheint, als sei ihm bewusst, dass wir in seiner Nähe sind. Mein sechster Sinn sagt mir, dass er spürt, dass wir hier auf ihn lauern, denn seine goldgelben Augen scheinen direkt in die Meinen zu blicken. Mein Puls schlägt unaufhörlich höher. Erregt und gespannt wage ich es kaum, mich zu bewegen, doch dann gebe ich Jürgen das Zeichen zum Schuss. In Zeitlupe richtet er die Waffe auf das Ziel, doch seine Hände zittern gewaltig. Ich schaue nur auf den Leoparden und warte gespannt auf den Büchsenknall. Es erscheint mir wie eine Ewigkeit – endlich bricht der Schuss! Die klirrende, zerbrechliche Morgenluft wird von diesem Donner erschüttert und zerrissen. Der große Kuder schnellt wie vom Blitz getroffen hoch in die Luft und ist dann vom Erdboden verschwunden, so schnell wie er gekommen ist. Der Schuss verhallt noch dunkel an den Bergwänden, als Jürgen aufgeregt fragt: „Habe ich den Eisbär getroffen?“ Ich lache nur und sage: „Nein Jürgen, das war nur ein Geist … du hast einen Geist erlegt.“

 

Ich bin überzeugt, dass der Schuss trotz der zittrigen Hände gut war und nach zehnminütiger Wartezeit bewegen wir uns langsam und vorsichtig in die Richtung des Kameldornbaums. Wieder versuche ich die kleinste Bewegung zu erkennen, doch es rührt sich nichts. Totenstille. Geisterstille.

 

Wir sind nun keine fünf Meter von dem Baum entfernt und ich sehe etwas im hohen Gras liegen. Ich traue meinen Augen kaum … ist es wirklich der Leopard? Schritt für Schritt nähern wir uns. „Soll ich nochmal schießen?“, flüstert Jürgen. Vorsichtig nehme ich einen Stein hoch und werfe ihn in Richtung des am Boden liegenden Leoparden. Keine Reaktion. Mein Herz schlägt mir bis in den Kopf. Hinter mir höre ich Jürgen schwer atmen und ich weiß, dass auch sein Herz so laut klopft wie meins. Wir gehen noch ein paar Schritte näher und ich kann erkennen, dass der Leopard nicht mehr atmet, weil der Schuss sauber sitzt.

 

Mit Freudentränen wende ich mich zu Jürgen, der dicht hinter mir steht und gebe ihm meine Hand. „Waidmannsheil, du hast deinen Leoparden!“

 

Er blickt gen Himmel, hebt seine Arme und schreit und lacht vor Freude! Wir umarmen uns und klopfen uns auf die Schultern. Vor uns liegt ein hochkapitaler Leopard. Ein Wesen mit den schärfsten Sinnen im Tierreich. Ein Tier, das selbst ein ausgezeichneter Jäger ist. Wahrscheinlich sogar ein viel besserer Jäger als wir, doch heute haben wir ihn überlistet. Wir haben es geschafft!

 

Ich gehe auf die Knie und hocke ehrfurchtsvoll vor diesem unglaublich schönen Tier. Ruhe kehrt ein und mich bewegt eine unbeschreibliche Fülle an Emotionen … Freude, Erleichterung, Bewunderung, Trauer. Es ist vor allem ein überwältigendes Gefühl von Hochachtung und Dankbarkeit an die Natur, nach dieser erfolgreichen Leopardenjagd – ein Gefühl, das ich einfach nicht beschreiben kann.

 

Man muss es eben selbst erleben: laute Herzen in Geisterstille.

 

© Sebastian Fechter - first published in "Felsgraffitti" (2016)